MoserSoldatStätte der Marienverehrung - ein langgehegter Wunsch der Osterhofener Bürger

Als am 12. Februar 1858 die erste Erscheinung von Maria in der Grotte von Massabielle bei Lourdes war, einem bis dahin unbekannten, abgelegenen Ort am Fuße der Pyrenäen, dachte in Osterhofen noch kein Mensch daran, eine eigene Mariengedenkstätte zu errichten. Doch nach und nach sickerten, ja drängten die Nachrichten der leibhaftigen Zuwendung Mariens an uns Menschen auch bis nach Bayern.

So trug man sich schon 1866 in Osterhofen bei der Errichtung des Friedhofes mit dem Gedanken, in dessen Nähe eine Kapelle zu bauen. Es verging aber noch ein viertel Jahrhundert, bis um die Jahrhundertwende verstärkt der Wunsch geäußert wurde, in Osterhofen vor dem Hintergrund der Marienerscheinungen in Fatima und Lourdes eine Stätte der Marienverehrung zu errichten.

Ein Ökonom aus Ruckasing gab 1902 den entscheidenden Anstoß zum Bau

Ein Lourdes-Pilger namens Josef Moser (1870-1939) aus Ruckasing war es, der den letzten Anstoß zur Realisierung des Bauvorhabens gab. Josef Moser leistete in Metz in Elsaß-Lothringen seinen Militärdienst ab, das nach dem Krieg 1870/71 zu Deutschland gehörte. In dieser Zeit machte er wohl eine Wallfahrt nach Lourdes. Die dort gewonnenen Eindrücke veranlassten ihn, sich sehr für den Bau der Lourdeskapelle im Friedhofspark in Osterhofen im Jahr 1902 einzusetzen. Josef Moser, der in Aicha geboren wurde und bei seinen Radelsbeck-Großeltern in Liessing bei Aldersbach aufwuchs, kaufte am 31. Oktober 1906 das Anwesen Ruckasing 4. Er war vermutlich vorher schon Pächter oder Verwalter auf diesem Anwesen. Am 21. Oktober 1907 heiratete er in Osterhofen Anna Schub (1871-1945), Bauerntochter aus Birnbaum bei Schöllnach. Josef Moser starb am 22. März 1939 an seinem Asthmaleiden. Er wurde in Osterhofen begraben. Die Glocke der Marienkapelle wurde geläutet, deren Bau er initiiert und durch Spenden gefördert hatte.

 

MoserderLetzteAuf dem Anwesen Ruckasing 4

lebte bis zu seinem Tod im Jahre 2022 

der Enkelsohn Josef (geb. 1941),

von Freunden und Nachbarn auch

"der letzte Moser in Ruckasing" genannt.

 

Hochkarätig besetztes Baukomitee realisierte das Bauvorhaben

Kapellenbau1902DachdeckerUnter dem Vorsitz von Stadtpfarrer Joh. Bapt. Ritzinger wurde ein Baukomitee gegründet. Die Stadt Osterhofen stellte das Grundstück vor dem Friedhof zur Verfügung. Ein Bürgersohn der Stadt Osterhofen, der Bildhauer Franz Drexler fertigte den Plan für die Kapelle, so wie sie auch heute, nach über 110 Jahren noch aussieht. Sein Plan wurde mit Wohlwollen angenommen und von den behördlichen Stellen genehmigt. Franz Drexler selbst übernahm die Bauleitung zusammen mit Baumeister Hartan aus Altenmarkt. Die beiden konnten auch einen Architekten, einen Modelleur und einen Stukkateur zur Mitarbeit gewinnen.

ZimmererWeitlMichaelDie Betonarbeiten führte die Firma Stern aus. Die Mosaikpflasterung wurde einem italienischen Fachmanne übertragen. Kies und Sand wurde von der Ortschaft Ruckasing, Bauholz von den Gemeinden Buchhofen und Putting kostenlos geliefert. Die Maler- und Vergolderarbeiten führte Malermeister Segl aus. Die Schreinerarbeiten wurden den Herren Semmler und Pfefferl übergeben. Die Eisengitter waren eine Spende des kath. Gesellenvereins und des Turnvereins. Der Opferstock war ein Geschenk des Schlossersohnes Wolfgang Terzer. Die Fenster lieferte der Glasermeister Max Hällmayer kostenlos. Der komplizierte Dachstuhl wurde vom Zimmermann Michael Weitl aus Ruckasing gefertigt und aufgestellt.

(Zimmerer Michael Weitl auf dem Baugerüst in der Mitte und dem kleinen Foto links ist der Urgroßvater der heutigen Büchereileiterin Theresia Reinstein. Er lebte in Ruckasing von 1864 bis zu seinem Tod im Jahr 1948; auf dem Foto half er 1902 offenbar auch bei den Dachdeckerarbeiten mit)

Am 1. April 1902 war Baubeginn.

Der Chronist schrieb dazu:

Im Jahr des Heiles, am Ostermittwoch, den 2. April 1902,

- am Feste des heiligen und begeisterten Marienverehrers Franz von Paul,

- unter dem Pontifikat seiner Heiligkeit Papst Leo XIII, 

- unter der Regierung seiner Mayestät des Königs Otto I. von Bayern und seiner königl. Hoheit des Prinzregenten Luitpold, des Königreiches Verweser,

- unter der Regierung seiner Bischöfl. Gnaden, des Hochwürdigsten Herrn Diözesanbischofs Antonius Ritter von Galen in Passau

- als Dekan Hochw. Herr Pfarrer Hartl aus Isarhofen waltete

- und die Hochwürdigen Herren Stadtpfarrer Joh. Bapt. Ritzinger, Benefiziat Peter Griesbacher und Stadtpfarrkooperator Josef Estermaier hier in der Seelsorge wirkten,

- unter der Amtstätigkeit des Herrn Bezirksamtmannes Knilling aus Vilshofen

- und Bürgermeister Ernest Pichler dahier

- als die Stadtpfarrei 1628 Seelen zählte,

in diesem Jahr begann der Bau.

Die Bevölkerung unterstützte den Bau mit Material- und Geldspenden und kostenlosen Hand- und Spanndiensten

Einsatz und Gebefreude in der Bevölkerung waren riesengroß. Material wurde aus Putting, Buchhofen, Ruckasing und Osterhofen kostenlos herbeigeschafft. Sämtliche Hand- und Spanndienste wurden von der hiesigen Bürgerschaft geleistet. Der katholische Gesellenverein und der Turnverein führten Theaterstücke auf und übergabenMoserHochzeit den Erlös dem Kapellen-Baukomitee. Eine Bauerstochter machte ihren gesamten goldenen Schmuck zum Geschenk.

 

 

 

 

Die Kosten der Glocke übernahm Anna Moser (1871-1945) aus Ruckasing.

Ihr Ehemann, der Ökonom (und Lourdes-Pilger) Josef Moser stiftete die Marienstatue.

- das Bild links zeigt beide auf ihrem Hochzeitsfoto von 1907 -

 

 

 

 

 

Der Kostenvoranschlag für die Kapelle belief sich lt. Baubeschreibung auf 3350 RM. Zugrunde gelegt waren dabei 199 cbm umbauter Raum. Der tatsächliche Baupreis belief sich auf rund 5000 RM, wie Vorsitzender Günther Karlstetter anhand fast aller noch vorhandener Rechnungen zum 100jährigen Kapellenjubiläum im Jahr 2002 errechnet hat. Nicht die gesamten Kosten konnten sofort bezahlt werden. Die letzte Rate an einen privaten Kreditgeber wurde nach der Inflation in den zwanziger Jahren zurückgezahlt. Bei 20 Pfennig Jahresbeitrag und rund 100 Vereinsmitgliedern war eine schnellere Darlehenstilgung nicht möglich.

Das Bauwerk wurde in den Sommermonaten des Jahres 1902 fertiggestellt. .

Am 8. September 1902 wurde die Kapelle feierlich eingeweiht

Hier einige Passagen aus den Festreden:

Das Vorhaben, des auf der Siegstätte so herrlich erbauten Marienkirchleins, ist unter der Leitung unseres Bürgersohnes, des Herrn Bildhauers Franz Drexler und unter Mitarbeit des Modelleurs Herrn Dechant zu Ende gegangen. Der Bau verdient es,  und ganz besonders die von den beiden Vorgenannten mit seltenem Fleiße errichtete Lourdesgrotte. ein Kunstwerk erster Güte genannt zu werden, weil ein solches in seiner Art innerhalb der Passauer Diözese kaum zu finden ist.

Und weiter heißt es:

Welch fromme Gedanken umwehen diesen schmucken Bau, der sich über das Bildnis Mariens wölbt, das hier in der geheimnisvollen Felsengrotte seinen Platz gefunden hat.

Das Wochenblatt schreibt nach der Einweihungsfeier:

Am 8. September 1902, an Mariä Geburt, fand unter Beteiligung einer riesigen Volksmenge die feierliche Einweihung der Marienkapelle durch Stadtpfarrkooporator Estermaier statt. Es ist ein herrlich Fest auf jenem denkwürdigen Flecken Erde begangen worden, auf welchem - wie uns die Chronik erzählt - über das räuberische Hunnenvolk unter ihrem König Garibald am Ostertag des Jahres 569 ein glänzender Sieg erfochten wurde und seit dieser Zeit die Stadt das Osterlamm im Wappen, der Kampfplatz aber heute noch die Bezeichnung Siegstätte führt. Es war die feierliche Benediktion der neuerbauten Marienkapelle.

Der 1902 gegründete Bauunterhaltungsverein kümmert sich seither um das "Schmuckstück im Friedhofspark"

Mit der Fertigstellung dieser Kapelle war aber die Arbeit des Baukomitees nicht zu Ende. In Sorge um die Erhaltung der Kapelle wurde der Bauunterhaltungsverein der Marienkapelle gegründet. Und seit dem Jahre 1902 sorgen Vorstand und Mitglieder dieses Vereins - unterstützt von vielen freiwilligen Helfern, Freunden und Gönnern - vor allem dafür, dass die Kapelle immer das bleibt, was sie nun schon seit über 120 Jahren ist:

 

Ein Schmuckstück innerhalb der Friedhofsanlagen von Osterhofen

ein Ort der Stille und Einkehr und insbesondere ein Ort der Marienverehrung.

 

Die Lourdeskapelle und ihr Umfeld kurz nach der Bauvollendung:

Die folgende Karte vom 22.4.1905, eine echte Rarität, hat uns freundlicherweise Stefan Harass zur Verfügung gestellt. Sie zeigt die Kapelle so, wie sie kurz nach der Einweihung ausgesehen haben muss:

                                                                           Karte von 1905

Die Lourdeskapelle vor der Neugestaltung des Außenbereichs (Brunnen und Eisengeländer) sowie vor Öffnung der kleinen Seitenfenster im Eingangs- und Besucherbereich:

Die Fotos stammen aus dem privaten Archiv von Stefan Harass - die Aufnahmen hat OZ-Lokalredakteur Heinz Hager vor vielen Jahren für einen seiner zahlreichen Zeitungsartikel gemacht.

 

KapellenfotoaltHager1  KapellenfotoaltHager2 KapellenfotoaltHager3